Dienstag, 23. Juli 2013

Geschafft


Idyllisch, eingebettet zwischen Hügel und Haus liegt unser Schwimmbad. Besser gesagt, unser "invaso rurale per balneazione". Würde es nämlich "piscina"heissen, gälten andere Gesetze, und wir wären verpflichtet, bei Betrieb des Agriturismo, einen Bademeister rund um die Uhr zu engagieren.


So richtig zum Bad lädt das Wasser jedoch nicht ein. Das Schwimmbad (so nenne ich es einfachheitshalber) wurde 2 Jahre nicht mehr in Betrieb genommen, einfach zugedeckt und sich selbst überlassen - und den Algen und Ablagerungen. 


Wir beschliessen, das Wasser, bzw. die Brühe, abzupumpen. Gianfranco kommt mit seiner grossen Agro-Pumpe, die innerhalb weniger Stunden nur noch ca. 30 cm Wassertiefe übrig lässt.


Diese letzten 30 cm sind allerdings die schwierigsten. Mit dem kleinen Elektropümpchen geht's weiter, genauso wie mit Eimer und Handarbeit. Teamwork im Schlamm mit Alexandra - danke für deine Hilfe und dein Durchhaltevermögen!!!!






Unermüdlich sind wir an der Arbeit. Flurina und Barbara als Unterstützung, um die Eimer zu leeren. Giovanni als einziger männlicher Vertreter im Hühnerhaus. Das Erfolgserlebnis bleibt nicht aus - geschafft!!!


NEIN -

GESCHAFFT!!!!!!!!



PS: Nicht zu vergessen, dass zwischen dem Leeren, dem Füllen und dem jetztigen Baden 3 Wochen vergangen sind....

Freitag, 19. Juli 2013

Schwarzer Montag

Heute ist es soweit, ich mache mich bereit, um auf die Bank zu gehen, Konto eröffnen für unsere azienda agricola (so die offizielle Gesellschaftsform). Papiere vom Notar bereit, ich brauche nur noch meine Handtasche mit dem Pass und das Geld. Ich spüre Aufregung, lange hat es gedauert,  alles beieinander zu haben, um die Firma zu gründen, der letzte Schritt ist die Bank.

Also, eben, meine Handtasche holen. Doch die ist nicht auf dem Stuhl, auch nicht neben dem Koffer oder an einem sonst üblichen Platz. Wo habe ich sie nur wieder hingetan? Zu gut versteckt? Wegen der Dokumente. Verlegt? Bin ja manchmal ganz schön zerstreut. Gründlich suche ich alles ab. Kein Erfolg. Selbstzweifel. Wut. Ungeduld. Irgendwann ist klar: Meine Handtasche ist weg. Geklaut. Aus meinem Zimmer. Das darf doch nicht wahr sein. Da zieht mir jemand den Boden unter den Füssen weg. Dieses eine Mal habe ich Pass und ID dabei, eben wegen der Firmengründung. Beides in der gestohlenen Handtasche. So eine Scheisse. Keine Identität mehr. Nicht mal das Halbtax oder der Führerschein.

Am Nachmittag gehe ich dann anstatt zur Bank zu den Carabinieri, sind im selben Dorf. Die Carabinieri nicht dort, sie haben den Polizeiposten nur 3 Stunden am Tag geöffnet. Auf mein Klingeln meldet sich die Zentrale von Perugia über Telefon. Mann verspricht mir, in 20 Minuten da zu sein. Ich erhöhe auf 40, doch ohne Erfolg. Zurück nach Hause, Telefonate mit dem Basler Passbüro, ich evaluiere den Gang zur Botschaft in Rom. Doch all das kann ich erst am nächsten Tag abklären.

Um mich abzulenken und die Wut aus dem Körper zu bringen, steche ich die jungen Triebe, die um die Piscina wild wachsen, aus. Stosse auf eine grosse Wurzel eines schon abgestorbenen Baumes und beginne diese auszugraben. Der Spaten muss her. Zurück in die Werkstatt, wo mir Peter erklärt, der Traktor habe Luft im Vergaser und funktioniere nicht mehr. Welcher Scheisstag - auch das noch. Peter, Luca und Enzo kümmern sich drum, ich hole meinen Spaten und mache mich wieder auf den Weg Richtung Schwimmbad. Will mich nicht um das kümmern, hab selbst schon genug Ärger.

Graben, graben, graben. Wurzel frei legen, um dem Nachwachsen der Triebe endgültig den Garaus zu machen. Doch, wie kann es anders sein - der Spaten macht nicht mehr mit. Verrostet, altersschwach. Biegt sich oberhalb der Schaufel, als wär's ne weiche Spaghetti.

Jetzt reicht's. Statt Wut abzubauen, vergrössert sie sich. Scheiss-Italien. Scheiss-Haus, nichts funktioniert. Wir wurden beschissen, über's Ohr gehauen. Irgendein Scheisskomplott. Einbruch in meine Privatsphäre, Invasion. Unsicherheit. Verdammt, da ist einer gegen uns. Oder mehrere. Ich schmeiss den Bettel hin, die wollen uns hier nicht. Und überhaupt.

Die Moral der Geschichte: Wir verschliessen wieder sämtliche Türen und rennen ständig allen  Schlüsseln hinterher. Das Vertrauen und Wohlwollen unseren neuen Freunden und Nachbarn gegenüber hat sich reduziert und ich mich ins Schneckenhaus zurückgezogen. Meine Wunden lecken.

Samstag, 13. Juli 2013

Freud'scher Verschreiber oder die Tücken der Autokorrektur

Nachtrag zum Beitrag "Keine Kirschen":

Nein, keine Kirschen Weichsein! Und jetzt schreibt es sich wieder - diese verdammte Autokorrektur auf dem Computer. Die Wortwahl ist im Autokorrektur-Zeitalter nicht mehr frei... Weichseln kennt er nicht, also schlägt er "Weichsein" vor. Wenn ich das Kreuzchen neben dem Weichsein nicht anklicke, bleibt's dabei. Beim Weichsein. Und hier kommt jetzt der gute alte Sigmund ins Spiel: Mit dem Freud'schen Versprecher, bzw. hier dem Verschreiber (ha, diesmal hab' ich das Kreuzchen von Anfang an erwischt): 

Weichsein statt sauer (Sauerkirsche). Ein gutes Omen, scheint mir!

ps. Danke Johannes für Dein Lektorat!


Montag, 8. Juli 2013

Keine Kirschen - eine Neuentdeckung




Nein, keine Kirschen. WEICHSEIN! Zu deutsch: Sauerkirsche. Sie hat ihren Namen verdient, denn zum So-Essen ist sie viiiiiiiiiiiel zu sauer, wenn auch ausgereift. Doch in Kuchen und Desserts ein Hochgenuss!! Und die Konfitüre erst.... zum Niederknien....danke Isabelle für das Rezept! Mit Weichsein muss man tatsächlich anderst umgehen als mit anderen Früchten... Eigentlich wollten wir noch einfrieren, bevor sie die Vögel essen, doch dafür reicht der Platz im Tiefkühler einfach nicht aus. Der ist nämlich Gianfranco's coniglio und pollo belegt. 



Moderner Kirschensteinentferner (Wort für's Galgenspiel...) in Aktion. Barbara, deine Kuchen werden in die Geschichte von terra umbra eingehen! Ob ich wohl die gleiche Mischung von Kuchenteig und Mürbteig hinkriege?

Il vigneto

 Schon in der Hotelfachschule hat so mancher von seinem Traum des eigenen Rebberges, des eigenen Weines erzählt. Ich hab das nie verstanden. "Was haben die alle? Überhaupt, wie man diese Reben trimmen und beschneiden muss.  Und dann dieses Tohuwabohu mit den Sorten und wie man sie am besten mischt... Jeder will den anderen übertrumpfen, noch mehr wissen, noch den feineren Gaumen haben." Die Natur zur Wissenschaft machen, zur Kultur.

Heute habe ich selbst einen Weinberg. Er ist klein und wurde jahrelang vernachlässigt. Ist nach Westen/Nordwesten ausgerichtet. Die Reben schiessen wild durcheinander, kreuz und quer. Vor langer Zeit wurden mal Drähte gespannt - zum Halten, doch die hängen durch und geben unter dem Gewicht der nicht geschnittenen Reben nach.

Wild ist er, der Rebberg. Scheint geduldig gewartet zu haben bis sich ihm wieder jemand annimmt. Das sind jetzt wir. Und welche Freude ich daran habe!!! Dieser alten Kulturpflanze wieder zu neuem Leben (oder zum Teil auch zu einem sanften Tod) zu verhelfen, ist äusserst befriedigend. Es ist ein Abtasten: Wo greift der Mensch ein und wo überlässt er der wilden Natur das Zepter? Wie ist dieser Austausch mit der eigenen inneren Wildheit, dem intuitiven, authentischen Sein? Und wo lassen wir uns zähmen?


Ich liebe den Weinberg unterdessen. Liebe es zwischen den Rebenreihen zu spazieren. Hier und dort ein Blatt abzuknipsen oder den Fuss der Rebe von Unkraut zu befreien.








Oder einfach in die Weite zu sehen und gleichzeitig die Weisheit dieser alten Kulturpflanze, die ihre Wildheit bewahrt oder wieder entdeckt hat zu spüren.





























Pick me Up

Sonntag, 7. Juli 2013

Das Land als Ebenbild






Letztes Jahr gab es einen grossen Brand auf unserem Grundstück. Überall sind verkohlte Bäume und Äste zu sehen. Mahnmale. Daneben blüht wilder Mohn, inmitten von saftigem Gras, gewachsen aus fruchtbarer Erde. 
Mich berühren sie auf eigenartige Weise, diese verkohlten Baumleichen. Sterben. Vergänglichkeit. Zerstörung. Schwarzes Sein. Widerspiegeln meine Zweifel, meine dunklen Gedanken. Ja, es ist nicht alles Friede und Freude, dieses andere Leben. Es gibt auch die dunklen Momente, wo ich zweifle, hadere, verfluche, weine. Momente, in denen ich meinen inneren Dämonen begegne, dem inneren Richter, der verurteilt und einsperrt. Der alles besser weiss und das Vertrauen verloren hat. Dem inneren Zerstörer, dessen Aufgabe allein darin besteht zu sabotieren und hämisch zu grinsen: "Hab ich's dir doch gesagt - das ist eine Nummer zu gross... - du schaffst das nicht.... - als Frau bist du hier verloren... - und überhaupt, die haben dich über's Ohr gehauen...- und dann diese Strasse nach Gubbio, die man so gut hört. Und die Flugzeuge und...und...und". Manchmal haben sie Kraft diese inneren Dämonen und ihre Stimmen schleichen sich in meinen Geist, versuchen sich einzunisten, anzuhaften. Wie Staub auf dem schwarzen Klavier, wie verkohlte Asche auf dem Baum. Das Land als Ebenbild.

Sinnbild der Gleichzeitigkeit. Tod und Leben. Sterben und geboren werden. Abschied und Willkommen. Das eine nicht ohne das andere. Gleichzeitig. Der rote Mohn explodiert fast, so strotzt er vor Lebensfreude. Willkommen! Unmittelbar neben den toten Bäumen. Rot neben schwarz. Leidenschaft und Freude neben Depression und Verzweiflung. Anfang und Ende. Rot und schwarz. Ich sauge diese Rot in meine Seele, lasse die sanften, feinen Blätter der Blüte meinen Geist streicheln (und die Finger - direkt vernetzt...!). Welch Freude, welche Freiheit, welche Möglichkeiten, welche Schönheit und welch Reichtum! Beschenkt. In der Fülle. Danke.
Das Land als Ebenbild.