Sonntag, 5. April 2015

Ciaramicola

Jetzt ist  ja allgemein bekannt, dass in Italien gerne diskutiert, geschwatzt  und wortreich ausgetauscht wird. Dabei bleibt  das eine oder andere Mal auch die Authentizität und Ehrlichkeit auf der Strecke. Meinungsäusserungen hängen stark von den Umständen ab (natürlich nicht nur in Italien….). Vom Wetter, der Tageszeit, der allgemeinen Lage - und vor allem der Anwesenden. So höre ich also die gleiche Person innerhalb von 24 Stunden einen  komplett anderen Standpunkt vertreten oder muss mich mit Halbwahrheiten abspeisen lassen.
Nach 2 Jahren Italien ertappe ich mich nun selber dabei wie's halt 'mal so und 'mal so ist…. Direkte Wahrheiten umschiffen. Ausweichen. Themenwechsel. Auch 'mal eine Notlüge. Schliesslich will ich niemanden verletzen. Will mir hier ja Freunde und Bekannte "machen"…. Doch Achtung, da kann ich mir ganz schnell eine Fallgrube bauen. Nämlich dann wenn ich sage, dass mir etwas schmeckt, wenn dies eigentlich gar nicht der Fall ist. Hier also mein italienischer Lehrmeister in Sachen Authentizität und Ehrlichkeit:

Die Ciaramicola-Torte, die uns Nicoletta zum Dessert mitbringt.




ESSENSGENUSS wird in Italien gross geschrieben und gehört zum Alltag. Ob raffinierte antipasti oder hausgemachte pasta, leckeres Chianina-Fleisch oder gegrilltes Gemüse, Balsamico-Essig, Parmigiano, Prosciutto di Norcia, Olivenöl, und, und, und…. - die Geschmacksknospen werden verwöhnt. Nur bei den Desserts hört es für mich bei der panna cotta und den gelati auf, alles andere ist mir zu süss. Neuer Höhepunkt der nicht leckeren Desserts und Kuchen ist die Ciaramicola, eine umbrische Osterspezialität. Sie sieht schon kitschig aus mit den farbigen Streuseln auf der Meringue-Schicht, doch es besteht noch Hoffnung. Die stirbt allerdings als wir die Torte anschneiden. Innendrin ist sie nämlich pink-rosa (die Farbe kommt von einem Likör "alchermes"). Beim Dreinbeissen - schliesslich soll man sich vom Optischen nicht abschrecken lassen- werden die schlimmsten Befürchtungen wahr: Unessbar.

Und jetzt? Nicoletta will ja schliesslich wissen wie sie ist, die Torte. E buona? Sage ich ja, befürchte ich, dass sie uns bald wieder mit einer Ciaramicola beschenkt.  Sage ich nein, ist sie verletzt und kündet die entstehende Freundschaft. Halbwahrheit geht auch nicht, dafür habe ich sie zu gern. Also, Hosen runter und ehrlich: Non mi piace tanto, non è il mio gusto. Ich schiebe es auf den Anis-Geschmack. Oh, den könne man auch weglassen, sagt Nicoletta. Ob's jetzt nächste Ostern wieder eine gibt? 




Traktor-Mandalas

Where spirit meets machine: